Radiosynoviorthese (RSO)
Definition
Synoviorthese ist hergeleitet von den griechischen Wörtern "Synovia" (Schleimhaut) und "Orthese“ (Wiederherstellung). Gemeint ist eine weitgehende Wiederherstellung der ursprünglichen Gelenkinnenhaut durch lokale Strahlenanwendung.
Indikation
Rheumatoide Arthritis, Synovialitis einzelner Gelenke entzündlicher Genese, Synovialitis entzündlicher Genese nach TEP.
Die Diagnose und die Indikationsstellung müssen im Rahmen einer interdisziplinär getragenen Therapiestrategie (in Zusammenarbeit mit einem rheumatologisch versierten Arzt - in der Regel internistischer oder orthopädischer Rheumatologe) gestellt werden.
Prinzip
Durch die intraartikuläre lnjektion eines geeigneten Radionuklids werden die entzündlichen Synovia bestrahlt und oberflächliche, hypertrophierte Schichten zerstört, ohne das Knorpelgewebe zu schädigen. Die Bestrahlung bleibt überwiegend auf die Synovialis beschränkt, da die verwendeten Radionuklide Strahlung emittieren, die eine maximale Reichweite von wenigen Millimetern aufweist. Das in kolloidaler Form applizierte Radionuklid wird von den oberflächlichen Synovialzellen phagozytiert und führt dort zu einer Strahlenreaktion mit Nekrosen und im weiteren Verlauf zu einer Fibrosierung und Sklerosierung der Synovialis mit Rückgang der Proliferation und der Entzündung der Gelenkinnenhaut. Die in der Synovialis erzielte Herddosis ist abhängig von der applizierten Aktivität, Energie, der Halbwertszeit der verwendeten Strahler und Substanzen. Um eine adäquate Dosis in Abhängigkeit von der Dicke der Synovialis zu erreichen, werden unterschiedliche Radionuklide eingesetzt. Die Höhe der Aktivität des radioaktiven Arzneimittels bei intraartikulärer Injektion richtet sich nach der Größe des Gelenkes und dem Ausmaß der entzündlichen Aktivität, die klinisch und ggf. mit ergänzenden Verfahren beurteilt wird.
Die Wirkung stellt sich in der Regel nach Wochen, manchmal jedoch erst nach 3 Monaten ein. Sollte es, wie in nur wenigen Fällen bei richtiger Indikationsstellung, nach sechs Monaten noch nicht zu einer deutlichen Besserung gekommen sein, kann eine zweite Therapie diskutiert werden.
Notwendige prätherapeutische Untersuchungen und Massnahmen
Anamnese und klinischer Befund, ggf. Sonographie des Kniegelenkes zum Ausschluß einer rupturierten Poplitealzyste und ggf. zum Nachweis eines Gelenkergusses und Bestimmung der Synovialisdicke oder aktuelles (max.sechs Monate altes) Röntgenbild des zu behandelnden Gelenkes in zwei Ebenen (u. a. zum Ausschluss von Knochentumoren), Skelettszintigraphie in Zwei-Phasen-Technik oder MRT.
Vor der Therapie werden Sie aufgeklärt werden über das Behandlungsverfahren und die Nebenwirkungen einer Radiosynoviorthese einschließlich einer intraartikulären Punktion und Injektion und die Notwendigkeit der Ruhigstellung des zu behandelnden Gelenkes. (Die Aufklärung und die Einverständniserklärung müssen schriftlich dokumentiert werden.)
Durchführung
Die Behandlung selbst besteht in einer einmaligen Injektion der radioaktiven Substanz in das betroffene Gelenk. Falls sich ein Gelenkerguss findet, wird dieser abpunktiert. Desinfektion der Punktionsstelle. Es werden sterile Handschuhe und sterile Einmalkanülen sowie sterile Einmalspritzen verwendet. Unter sterilen Bedingungen erfolgt die Lokalanästhesie. Die Gelenkpunktion wird unter Durchleuchtung durchgeführt. Eine Ausnahme bildet die Behandlung des Kniegelenkes, hier ist keine Durchleuchtung für die Gelenkspunktion erforderlich. Nach Applikation von offenen Radionukliden muß mit einer Gammakamera die regelrechte intraartikuläre Nuklidverteilung (mit Ausnahme von Erbium-169-Zitrat) dokumentiert werden zum Ausschluss einer extraartikulären Nuklidverteilung. Unmittelbar anschließend wird das Gelenk bandagiert und muss für 48 Stunden strikt ruhiggestellt werden. Die Ruhigstellung ist sehr wichtig, da hierdurch ein Abfließen der eingespritzten Substanz aus dem Gelenksbinnenraum verhindert wird.
Bei Therapie von Gelenken der unteren Körperhälfte (Hüftgelenke, Kniegelenke, Sprunggelenke, Zehengelenke) bedeutet dies, dass die betreffende Extremität für 48 Stunden nicht belastet werden soll, d.h. es ist nur der Gang zur Toilette erlaubt. Aufgrund der Nichtbelastung erfolgt zur Verhinderung einer Thrombose die Gabe eines Medikamentes zur Hemmung der Blutgerinnung.
Nebenwirkungen
Das Risiko einer bakteriellen Infektion ist bei der Injektion äußert gering. Ansonsten treten in der Regel keine Nebenwirkungen auf. Voraussetzung für die Therapie ist die exakte Applikation des Betastrahlers in die Gelenkhöhle. In seltenen Fällen kann es nach der Injektion des Betastrahlers zu einer kurzzeitigen leichten Verstärkung der Gelenkbeschwerden kommen (in weniger als 10% der Fälle). Bei leichten Beschwerden im Sinne einer leichten Überwärmung und Rötung empfiehlt sich die Kühlung mit einer Eispackung. Spätschäden aufgrund der radioaktiven Belastung konnten nicht beobachtet werden.
Nach der Therapie
Wir bitten Sie, folgende Punkte nach der Therapie zu beachten:
Komplette Entlastung des Gelenkes für 48 Stunden. Falls der von uns angelegte Verband drücken sollte, so können Sie ihn abwickeln und ggf. neu wieder anlegen.
Für eine Woche sollte das behandelte Gelenk nur wenig belastet werden.
Falls es in den ersten zwei bis drei Wochen zu einer leichten Gelenküberwärmung oder Rötung kommen sollte, so kann eine Kühlung mit Eis probiert werden. Sollten wider Erwarten stärkere Beschwerden auftreten, so bitten wir Sie, mit uns oder Ihrem Hausarzt/Rheumatologen/Orthopäden Kontakt aufzunehmen.
Ergebnisse
Wegen protrahierter Wirkung ist der Therapieerfolg erst nach Monaten zu beurteilen. Eine homogene Nuklidverteilung vorausgesetzt, ist die Erfolgsquote der Radiosynoviorthese hoch, während bei fortgeschrittenen Gelenkveränderungen, die eine inhomogene Nuklidverteilung verursachen, die Erfolgsrate reduziert sein kann. Je nach Gelenkzustand sind nach der Radiosynoviorthese bei 50-80% der Patienten innerhalb von 3-4 Monaten eine subjektive Verbesserung sowie ein Rückgang der entzündlichen Symptome - wie Schmerzen und Schwellung - zu erwarten
Literatur
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